Abschied von „der Insel“

In unserer letzten Woche zeigt sich das britische Wetter noch einmal von seiner wechselhaften Seite

Bevor es wieder in Richtung Süden geht wünscht sich Martin wenigstens noch einmal in Schottland wandern zu gehen. Bisher hat das Wetter dafür aber noch nicht richtig mitgemacht. Seit wir Edinburgh verlassen haben regnet es jeden Tag mehrmals… oder eben den ganzen Tag 😉 . Diesen Montag wollen wir es trotzdem versuchen und laufen einfach mal los in Richtung eines Gipfels in der Nähe des Campingplatzes. Als wir starten ist es noch ziemlich bewölkt aber laut dem Wetterbericht soll es gegen Mittag aufklaren.
Zunächst führt der Weg durch einen dichten Wald und wir bemerken nicht, dass sich der Himmel immer mehr zuzieht. Als wir den Schutz der Bäume verlassen fängt es an zu regnen und der Wind weht uns von der Seite ständig Tropfen ins Gesicht. Das fängt ja schon mal gut an…

Wandern in Schottland ist wahrscheinlich nur was für Abgehärtete… Zum Glück haben wir uns letztes Jahr für die Gipfeltouren in Norwegen wasserfeste Hosen zugelegt, die sich jetzt wirklich bezahlt machen. Mit dem Motto, dass oben über den Wolken bestimmt die Sonne scheint, versuchen wir uns gegenseitig zu motivieren und gehen einfach Schritt für Schritt weiter.
Unsere erste kurze Rast (ein Motivationskeks reicht diesmal nicht 😉 …) machen wir im Schutz eines großen Felsens – lange kann man sich aber nicht im Sitzen aufhalten, denn durch den Wind wird einem sehr schnell kalt. Es ist nun mittlerweile Mittag und ich frage mich langsam wirklich wo jetzt eigentlich das gute Wetter aus der Vorhersage bleibt?!

Nach dieser ersten Pause wird der Weg immer steiler und auch felsiger, sodass wir teilweise auf allen Vieren klettern müssen und durch den Regen sind die Steine auch ganz schön rutschig… Während wir zwischen dem ganzen Geröll irgendwie unseren Weg suchen, überholt uns ein älterer Schotte und wir kommen kurz ins Gespräch. Er erzählt uns, dass er diese Gipfelwanderung mehrmals in der Woche macht um fit zu bleiben (und so sieht das Klettern bei ihm auch aus 😀 ). Daher kennt er wahrscheinlich auch den Weg so gut. Für die Aussicht würde sich die Anstrengung aber auf jeden Fall lohnen… Zum Abschied meint er noch, dass wir das super machen und auch fast oben sind. Ich vermute mal, dass die typisch britische Höflichkeit aus ihm spricht… 😉
Eine Viertelstunde später sind wir dann aber wirklich oben, nur leider schränkt der Nebel unsere Sichtweite auf ungefähr 50m ein.

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Da der Wind hier oben natürlich noch stärker ist, erhaschen wir zwischen den Wolkenlücken immer mal wieder einen Blick auf die umliegende Landschaft. Vielleicht muss man nur lange genug ausharren und kann sich dann die komplette Aussicht „zusammenpuzzeln“. Leider finden wir aber keinen wirklich windgeschützten Platz und machen uns daher nach 15 Minuten wieder auf den Weg nach unten. Gerade als wir den felsigen Abschnitt wieder verlassen schafft es die Sonne endlich durch den Nebel. Naja, dann machen wir unsere Pause eben jetzt und genießen die Aussicht von dieser Seite des Berges aus. Wenigstens haben wir überhaupt noch Sonne abbekommen 😀

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Der Abstieg führt uns über eine Wiese und wir sinken bei fast jedem Schritt in den sumpfartigen Boden ein. Selbst unsere Wanderschuhe machen nach einiger Zeit bei jedem Schritt ein schmatzendes Geräusch. Ich freue mich jetzt einfach nur noch auf die heiße Dusche beim Campingplatz. Ein kleines Highlight dieses Tages ist für mich, dass wir auf unserem Rückweg in einem Tümpel direkt am Wegrand eine Molchfamilie entdecken. Ehrlich gesagt, kann ich mich nicht erinnern, wann ich diese Tiere das letzte Mal in „freier Natur“ gesehen habe.

Unten im Tal angekommen haben wir uns das Feierabendbier sowas von verdient. Eine Kneipe hat sogar noch auf und bei strahlendem Sonnenschein lassen wir mit Aussicht auf den heute erklommenen Gipfel unseren letzten Tag in Schottland ausklingen.

Am nächsten Tag verlassen wir dann den kleinen Ort Arrochar und machen uns auf den Weg in Richtung Süden. Kurz halten wir nochmal am Loch Lomond, dem größten See Großbritanniens, bevor es dann aus den Highlands wieder zurück in die Lowlands geht.

Zum Mittag machen wir eine Rast in Gretna Green, was direkt am Motorway liegt. Dieses eigentlich sehr kleine Dorf liegt direkt an der Grenze zu England und wurde dadurch bekannt, dass viele Paare hierher flüchteten um ohne Zustimmung ihrer Eltern zu heiraten. In Schottland war dies im Gegensatz zu England Minderjährigen auch ohne Einwilligung der Eltern möglich (damals war man in Schottland ab 16 Jahren volljährig; in England erst ab 21). Bis heute ist Gretna Green bei Heiratswilligen sehr beliebt und man kann auch noch direkt in der alten Schmiede heiraten. Leider hat sich das kleine Dorf in den letzten Jahren aber mehr und mehr zu einer „Touristenfalle“ mit den üblichen Souvenirläden entwickelt. Ebenso gibt es ein Heiratsmuseum, für das man natürlich einen entsprechenden Eintritt bezahlen muss. Wir schauen uns kurz um und fahren nach einem Mittagssnack weiter zu unserem heutigen Stellplatz.

Bei so vielen Hufeisen als Glücksbringer kann ja nichts schiefgehen... 😉

Auch am Mittwoch haben wir wieder einen längeren Fahrtag vor uns. Vorher wollen wir aber noch ausgiebig frühstücken und beschließen dafür zu einem Gartencenter in der Nähe unseres Stellplatzes zu fahren. Gartencenter und Frühstück klingt zusammen sicher erst einmal seltsam aber die sogenannten „garden centre“ kann man nicht mit der Pflanzenabteilung bei uns zuhause im Baumarkt vergleichen.
Die Briten lieben ihre Gärten und Landschaftsparks und ein Besuch im „garden centre“ gleicht schon fast einem Erlebnisausflug. Hier findet man nämlich nicht nur Pflanzen oder Gartengeräte sondern auch Restaurants (mit Frühstück-, Mittags- und Teatime-Angebot), Spielplätze für die Kinder, Picknickbereiche, einem Hofladen mit Produkten aus eigener Herstellung, Bücherstände oder sogar Outdoor-Ausrüstung. Diesen Teil der britischen Kultur können wir uns natürlich nicht entgehen lassen 😉

Danach fahren wir dann weiter bis in die Cotswolds, wo unser heutiges Ziel Charlbury liegt. Bei unserem letzten Besuch vor ungefähr zwei Wochen hat es uns hier sehr gut gefallen und für eine Tageswanderung bietet sich die hügelige Landschaft mit den kleinen Orten sehr gut an. Morgen ist nämlich Himmelfahrt und diesen Tag wollen wir traditionell wie unsere Freunde zuhause verbringen 😀 .

Martin freut sich bereits seit einigen Tagen auf unsere Wanderung und hat auch schon die Pubs in der näheren Umgebung ausfindig gemacht. Wir starten direkt am Campingplatz und der Weg führt zunächst direkt über eine Kuhweide.

Das ist etwas, was uns in Großbritannien sehr irritiert: es gibt hier keine Feldwege, wie wir es kennen. Wenn wir an einem Stellplatz ankommen machen wir uns als erstes meist zu einer kurzen Erkundungsrunde auf. Dies gestaltet sich hier aber schwierig, denn die Felder und Wiesen sind komplett von Hecken umgeben und mit Toren oder Gattern verschlossen. Die einzige Möglichkeit für Spaziergänge abseits der Straßen bieten die sogenannten „public footpaths“ oder „bridlewalks“. Diese sind – wenn überhaupt vorhanden – nur teilweise ausgeschildert und führen dann direkt über die Felder und Viehweiden. Als Landwirt würde mich das ehrlich gesagt ziemlich stören, denn die Fußgänger laufen auf den Trampelpfaden auch über neu Gesätes oder mit ihrem Hund direkt an den Tieren vorbei. Darauf, dass jeder das Gatter ordentlich wieder schließt, muss man sich da wohl einfach verlassen…

Unser erstes Ziel ist das Tite Inn in Chadlington. Immer wieder sind wir von den gemütlichen Pubs und Landgasthäusern in Großbritannien überrascht und auch hier im Tite Inn fühlt man sich sofort wohl. Wir bestellen uns ein frisches Bier vom Fass und einen kleinen Mittagssnack – schließlich wollen wir heute ja noch weiter wandern.

Danach geht es weiter in Richtung Cornbury Park. Die nächste Etappe bis nach Charlington ist etwas länger und daher machen wir unterwegs immer mal wieder eine kurze Rast. Wir laufen durch einen riesigen Park mit vielen alten Bäumen, von dem uns auch berichtet wurde, dass die königliche Familie hier jagt. Wahrscheinlich sind daher auch große Teile des Parks und das Anwesen mit hohen Zäunen umgeben und an den Eingängen teilweise mit Kameras bewacht. Die auf unserer Karte eingezeichneten Wege stellen sich immer wieder als abgesperrte Sackgassen heraus und am Ende müssen wir einen riesigen Umweg um das Herrenhaus herum machen.

Als wir endlich Charlington erreichen führt daher unser erster Weg zum Pub „Rose & Crown“. Wie auch in vielen anderen Dorfpubs sind hier wirklich viele Menschen und fast alle Tische besetzt. Wir trinken nur ein schnelles Bierchen, denn wir müssen ja schließlich noch zurück bis zu Gustav laufen – der Campingplatz liegt etwas außerhalb des Dorfes. Auf den letzten Kilometern tun uns beiden dann schon die Füße weh und laut Martins Wanderapp haben wir heute über 27.000 Schritte gemacht. Ganz schön anstrengend so ein Himmelfahrtstag 😉

Unser nächstes Ziel am Freitag ist die Universitätsstadt Oxford. Auf dem Weg dahin halten wir aber noch einmal kurz an einem Farmshop etwas außerhalb von Chadlington. Hier werden die Produkte von Jeremy Clarksons Farm verkauft, der sicher Vielen als Moderator  aus der Sendung TopGear bekannt ist. Seit 2019 bewirtschaftet Clarkson eine Farm in den Cotswolds und lässt sich dabei von einem Kamerateam begleiten. Einige Folgen der Serie haben wir uns zusammen mit Sharon und Chris angeschaut und es ist wirklich ziemlich unterhaltsam durch den typisch britischen Humor.
Wir waren aber neugierig, wie es hier in der Realität aussieht und haben uns deshalb den Farmshop mal angeschaut… Es ist auf jeden Fall viel los und man kann viele regionale Produkte kaufen. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass man eher für den überall aufgedruckten Name „Clarkson´s Farm“ bezahlt als für das Produkt an sich. Die Preise haben es nämlich ganz schön in sich (ein Glas Honig kostet umgerechnet ca. 15€ ). Wir schauen uns daher nur kurz um und fahren dann weiter nach Oxford.

Wir haben uns einen Parkplatz etwas weiter außerhalb gesucht, von dem man aber bequem zu Fuß in die Innenstadt laufen kann. Erst einmal sind wir überrascht wie warm und sonnig es ist… das sind wir aus Schottland gar nicht mehr gewöhnt 😀 Aber auch die vielen alten Gebäude in der Altstadt sind ziemlich beeindruckend.

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Eigentlich wollten wir uns hier in Oxford wieder auf die Suche nach Harry-Potter-Drehorten machen und uns einige Colleges auch von innen anschauen. Vielleicht haben wir uns einfach die „falschen“ Gebäude herausgesucht, aber überall muss man Eintritt zahlen, auch wenn man nur den Innenhof betreten möchte (oder man ist an einem bestimmten Tag da). Und das sind jetzt nicht etwa mal ein oder zwei Pfund sondern gleich mal 10 oder mehr. Nach dem fünften College mit Eintritt haben wir keine Lust mehr und schlendern durch die Gassen bis zum Universitätspark, setzen uns einfach ein wenig in die Sonne und beobachten die Cricketspieler.

Außerdem suchen wir uns schon mal einen Stellplatz für die Nacht. Sharon und Chris haben uns bei unserem Treffen den Rat mitgegeben, möglichst nicht tagsüber an London vorbeizufahren und auf keinen Fall mit dem Auto in die Stadt rein, denn da herrscht dort einfach nur ein riesiges Verkehrschaos. Wir beschließen daher einfach heute Nacht noch bis kurz vor Dover zu fahren. Gegen 23 Uhr passieren wir auf dem südlichen „Orbital Motorway“ die britische Hauptstadt und trotzdem ist die meist achtspurige M25 ganz schön ausgelastet. Wie das hier am Tag aussieht will ich lieber nicht wissen.
Als wir eine Stunde später unseren Parkplatz neben einem geschlossenen Pub erreichen, sind wir froh, dass wir jetzt endlich ins Bett können… Irgendwie sind größere Städte für uns immer anstrengend 😀

Die britischen Straßen sind nicht nur aufgrund des Linksverkehrs immer wieder spannend... 😉

Am Samstag geht es dann weiter bis kurz vor Dover. In der Nähe von Folkestone haben wir uns für die letzte Nacht in Großbritannien einen Campingplatz gesucht. Nach der Ankunft nutzen wir gleich nochmal das gute Wetter und machen einen Spaziergang zur Steilküste. Von hier oben kann man bis nach Frankreich rüber schauen – es sind aber auch nur knapp 32 km, denn hier befindet sich die kürzeste Entfernung zwischen dem europäischen Festland und Großbritannien. Was uns auch auffällt ist die große Anzahl der Fähren, die hier zwischen Cover und Calais fast im Stundentakt verkehren. Da könnte man ja schon fast eine Brücke bauen… 😉

Unsere Fähre nach Calais geht erst am späten Sonntagnachmittag gegen 17 Uhr, aber die Campingplatzbetreiber haben uns dazu geraten bereits eher zum Hafen zu fahren, da es hier eigentlich ständig zu Staus kommt (wahrscheinlich aufgrund der sorgfältigen Zollkontrollen im Zusammenhang mit dem Brexit…). Gegen Mittag erreichen wir die Innenstadt von Dover, da wir noch einmal lecker Fish&Chips essen wollen, und schon jetzt zieht sich die Autoschlange vom Hafen bis hierher.
Wir suchen uns ein gemütliches Restaurant und beobachten den Stau draußen auf der Straße. So richtig voranzukommen scheint keiner und aus manchen Gesprächen entnehmen wir, dass einige ihre Fähre bereits verpasst haben. Für die Angestellten hier im Restaurant scheint es aber normal zu sein, dass immer mal jemand aus den Autos herein kommt und die Toilette nutzen will… Obwohl wir bis zur Abfahrt noch über drei Stunden Zeit haben, stellen wir uns trotzdem schon mal an, denn wer weiß wann es hier überhaupt mal weitergeht.
Schlussendlich brauchen wir für die knapp drei Kilometer bis zum Fährhafen mehr als drei Stunden. Und dabei haben wir es noch gut, dass wir in unserem Gustav alles dabei haben wie zum Beispiel eine Küche oder auch eine Toilette. Neben uns im Stau stehen Familien, die mit ihre Kindern zu fünft im Auto sitzen… mit denen möchte ich jetzt nicht tauschen.

Die Fähranbieter haben anscheinend auch keinen Überblick mehr darüber, wer wann welches Schiff gebucht hat. Mit einer halben Stunde Verspätung fahren wir auf irgendeine Fähre und sind dann einfach nur froh, dass wir eine bekommen haben. Wir setzen uns mit einem Abschlussbier aufs Deck und genießen die letzte Aussicht auf die Kreidefelsen der englischen Küste.
Frankreich erreichen wir dann kurz vor Sonnenuntergang. Wir fahren noch zu unserem nächsten Stellplatz und freuen uns schon auf die nächsten Wochen in Nordfrankreich und der Normandie.

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