Wir entdecken urige Dörfer, grüne Landschaften und die englische Gastfreundschaft
Von unserem gestrigen Surftag haben wir heute beide einen ganz schönen Muskelkater… Da auch das Wetter eher trüb ist beschließen wir einen Fahrtag in Richtung Norden einzulegen. Unser nächstes Ziel sollen die Cotswolds sein – eine besonders schöne ländliche Region ca. 130 km nordwestlich von London. Für die kommende Nacht haben wir uns einen Stellplatz in der Nähe der kleinen Stadt Cheddar gesucht. Erst dachten wir nur, dass der Ort zufällig so heißt, aber nach kurzer Recherche stellt sich heraus, dass der bekannte Cheddarkäse wirklich von hier stammt.
Am nächsten Tag wollen wir das natürlich gleich mal näher erkunden und beschließen ebenfalls in die nahegelegene Schlucht Cheddar Gorge zu fahren. Dort befinden sich die Höhlen, in denen der Käse früher zum Reifen gelagert wurde. Leider gibt es nun auch hier viel touristische Infrastruktur mit Museen und den typischen Läden und wir beschränken uns auf den Besuch der Schlucht. Den Käse werden wir bei Gelegenheit aber trotzdem noch probieren 🙂
Gegen Nachmittag erreichen wir das kleine Dorf Lacock, welches im Süden der Cotswolds liegt. Hier sind besonders viele alte Fachwerkhäuser erhalten, weshalb der Ort oft als Kulisse bei Filmdrehs dient. So wurden unter anderem auch Szenen aus mehreren Harry-Potter-Filmen hier gedreht, die wir uns natürlich mal „in echt“ ansehen möchten. Abgesehen davon ist es hier wirklich sehr schön und da wir mitten in der Woche da sind halten sich auch die Besucherzahlen in Grenzen. Einen National Trust-Parkplatz und das zu besuchende Anwesen gibt es natürlich auch wieder… Aber darüber hatte ich ja im letzten Bericht schon ausreichend geschrieben 😉
Nach einem Kaffee mit einem sehr leckeren (aber auch sehr sättigenden) Brownie fahren wir weiter zu unserem Parkplatz für diese Nacht. Dieser befindet sich mitten zwischen heckengesäumten Wiesen und Schafweiden. Generell gibt es hier in England total viele Schafherden und vor allem in den Cotswolds sieht man sie eigentlich ständig.
Auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel durchqueren wir am Mittwoch die Cotswolds weiter in Richtung Norden. Wir kommen durch viele schöne Orte wie Stow-on-the-Wold oder Moreton-in-Marsh, wo links und rechts der Straße die Häuser aus dem typischen hellbraunen Stein erbaut sind. Früher war diese Gegend durch den Wollhandel reich geworden und heute haben viele wohlhabende Londoner hier ein Wochenendhaus. Die vielen grünen Hügel machen die Gegend sehr idyllisch und wir beschließen auf dem Rückweg nach Süden noch einmal hierher zu kommen, wenn es mit unserer Route gut passt.
Heute besuchen wir aber erstmal noch Stratford-upon-Avon; die Geburtsstadt von William Shakespeare. Wir entscheiden uns für den Campingplatz direkt an der Pferderennbahn, von dem es nicht weit bis ins Stadtzentrum zu laufen ist. Die Altstadt von Stratford ist wirklich sehr schön und auch gibt es wieder viele alte Fachwerkhäuser zu bewundern.
Am Ufer des Avon befinden sich einige gemütliche Lokale und Pubs und wir müssen natürlich einen leckeren Sundowner trinken. Am Stadthafen gibt es sogar eine handbetriebene Schleuse und wir haben Glück, dass diese gerade in Benutzung ist. Auf dem Rückweg zum Stellplatz kommen wir am ältesten Pub der Stadt vorbei, das draußen mit einem Schild für das sogenannte „Shakesbeer“ wirbt 😀 . Selbstverständlich müssen wir auch das noch testen…
Auch unser nächstes Ziel am Donnerstag diente als Kulisse bei einigen Harry-Potter-Filmen. Falls es bis jetzt noch nicht aufgefallen ist: wir sind beide große Fans der Bücher/Filme und wollen unsere Zeit in Großbritannien nutzen um möglichst viele Drehorte zu besuchen 🙂
Die Kathedrale von Gloucester ist schon von außen ein sehr beeindruckendes Bauwerk und von innen verstärkt sich dieser Eindruck noch mehr. Kurz nach unserer Ankunft beginnt zufällig gerade ein Gottesdienst und die Klänge der Orgel machen in diesem riesigen Gebäude natürlich schon richtig was her. Wir erkunden später noch den Kreuzgang und den Innenhof und irgendwie fühlen wir uns beide direkt in die Filme hinein versetzt. 😀
Heute haben wir aber auch noch etwas anderes vor. Vor ein paar Monaten hatten wir auf einem Stellplatz in Spanien Sharon und Chris mit ihrem Hund Buddy kennen gelernt. In den letzten Wochen hatten immer mal wieder Kontakt und so haben wir beschlossen die beiden zuhause zu besuchen. Dazu muss ich auch noch sagen, dass wir in Spanien zusammen oft über die englische Küche gesprochen haben und Martin und ich zugegebenermaßen bei diesem Thema etwas skeptisch waren 😉 . Warum auch immer… in Deutschland hält sich das Vorurteil sehr hartnäckig, dass es in Großbritannien nur Fish&Chips und englisches Frühstück gibt. Wir möchten uns aber von den beiden eines Besseren belehren lassen und haben uns deshalb heute verabredet.
Die erste Herausforderung ist aber zunächst die Fahrt zu ihrem Haus, welches sehr idyllisch mitten in der Natur gelegen ist. Die Straße dahin ist also dementsprechend eng – besonders für einen Fiat Ducato wie unseren Gustav. Im Nachhinein fragen wir uns wie die beiden das mit ihrem Wohnmobil immer machen 😀 . Und so kommt es, dass wir nach über 35.000 km in 18 Ländern mit oft sehr unübersichtlichen Verkehrssituationen unseren ersten Kratzer an einem englischen Gartentor bekommen.
Martin ärgert sich im Nachhinein sehr; ich vermute wir waren beide in dem Moment ein wenig aufgeregt aber es gibt wirklich Schlimmeres. Chris hilft uns gleich und wir stellen fest, dass es eigentlich nichts gibt, was er nicht in seiner Werkstatt hat (Poliermittel, Polierpaste uvm….). Wenn wir einmal beim Putzen sind dürfen wir im Garten auch unseren Gustav mal wieder waschen – vielleicht aber auch ein dezenter Hinweis darauf, dass das mal wieder nötig wäre (war es aber auch 😀 )
Später – nachdem Martin und ich uns erstmal wieder beruhigt haben 😉 – brechen wir dann auf in die nahegelegene Stadt Ross-on-Wye. Wir machen einen kleinen Spaziergang durch die hübsche historische Innenstadt bis zur Kirche, von der man eine wunderschöne Aussicht über das Tal des Wye hat.
Zum Abendessen haben Sharon und Chris ein Restaurant mit typisch englischer Küche ausgesucht. Wir entscheiden uns beide für einen Pie; aber mit verschiedenen Füllungen. Bisher haben wir gedacht immer gedacht, ein Pie ist ein süßer Kuchen mit Früchten oder ähnlichem (z.b. Applepie). In der britischen Küche ist ein Pie aber auch oft herzhaft mit verschiedenem Fleisch oder auch mal vegetarisch mit Pilzen und Käse gefüllt. Zu diesem wirklich sehr sättigenden Essen gibt es dann auch noch Beilagen wie Pommes oder Kartoffelpüree und Gemüse 😀 . Puh, einen Nachtisch schaffen wir heute wirklich nicht mehr.
Am nächsten Morgen geht es gleich deftig weiter: Chris hat extra für uns ein englisches Frühstück vorbereitet. Ich vermute wenn wir das alles gegessen haben sind wir mindestens bis zum Nachmittag satt 😀
Später zeigen Sharon und Chris uns einen weiteren Teil ihrer Heimat und wir fahren zusammen in die nicht weit entfernte größere Stadt Hereford. Unser erstes Ziel ist die Kathedrale, in der in einem Nebengebäude die „Mappa Mundi“ ausgestellt ist. Dies ist die größte erhaltene, mittelalterliche Weltkarte und daher besonders für Martin als Vermesser interessant.
Ungewöhnlich an dieser Karte ist, dass es sich um eine Art Gemälde handelt, welches eher zu Lehrzwecken als zur Orientierung verwendet wurde. Daher findet man auf der Karte auch viele Illustrationen mit bekannten Gebäuden, Tieren oder auch Menschen in landestypischer Kleidung (z.B. einen Skifahrer in Skandinavien). Entsprechend der damaligen Weltanschauung befindet sich der heutige Nahe Osten, also das Heilige Land, im Mittelpunkt der Karte.
Aber auch etwas anderes Interessantes ist hier zu sehen: die Chained Library. Im Mittelalter waren Bücher besonders wertvoll und mussten in den Bibliotheken vor Diebstahl geschützt werden. Daher wurden sie ganz einfach mit Ketten an den Regale befestigt und hier in Hereford befindet sich die größte erhaltene Bibliothek der „angeketteten Bücher“, von denen manche sogar aus dem 8. Jahrhundert stammen.
Nach diesem wirklich sehr informativen Museumsbesuch wollen wir nun draußen das sonnige Wetter genießen und schlendern durch die Altstadt bis zum Markt. Von dem guten Frühstück sind wir übrigens immer noch satt und holen uns daher am Nachmittag nur einen Kaffee und ein Stück Kuchen.
Am Abend fahren wir dann weiter entlang des Flusses Wye zum Landgasthof „Bunch of Carrots“, wo wir heute ein sogenanntes Sunday Roast essen wollen. Eigentlich hätte ich gedacht, dass es das auch wirklich nur an Sonntagen gibt 😀 . Martin und ich sind auf jeden Fall sehr froh, dass Charon und Chris uns ihre Heimat zeigen, denn erst dadurch bekommen wir einige Geheimtipps wie dieses Restaurant mit.
Bereits beim Bestellen an der Bar lernen wir wieder etwas dazu. Anders als bei uns zuhause wird den englischen Bieren beim Zapfen kein CO2 zugesetzt und sie werden auch nicht gekühlt. Wenn man in einem britischen Pub ein Real Ale – also ein typisches Bier – bestellt, wird dieses durch Pumpbewegungen mit dem Zapfhahn aus dem Fass im Keller nach oben transportiert. Bisher haben wir gedacht, dass wir einfach ein schales Bier erwischt haben… aber anscheinend soll auch so sein 😀
Später beim Essen erfahren wir dann, dass man beim „Sunday Roast“ zwischen verschieden Bratensorten auswählen kann, zu denen es dann vielfältige Beilagen gibt. Für jeden Braten bekommt man jeweils eine eigene Soße oder besser gesagt ein Chutney, denn dabei handelt es sich um eine Art fruchtigen Dip aus Apfel oder Cranberry. Eine richtige Bratensoße, wie wir sie von zuhause kennen, gibt es dann für alle Bratensorten zusammen. Für uns ist es auf jeden Fall ziemlich interessant, wie unterschiedlich die Esskulturen sind, denn in einem Gasthof bei uns zuhause würde man nie verschiedene Bratensoßen mischen. Die fruchtigen Dips sind aber eigentlich eine sehr leckere Ergänzung.
Nach diesem sehr leckeren Essen lassen wir den Abend bei Sharon und Chris dann noch gemütlich mit einem Lagerfeuer ausklingen. Wir sind wirklich sehr froh, dass die beiden uns so gastfreundlich aufgenommen haben und wir zusammen Einiges erleben konnten. Nicht zuletzt haben wir nun endlich unsere Vorurteile zur englischen Küche abgelegt 😀 . Natürlich haben wir die beiden auch in unsere Heimat eingeladen und ihnen von einigen Thüringer Spezialitäten erzählt. Hoffentlich lassen sie sich nicht zu sehr vom Thüringer Karpfen mit Soße aus Blut abschrecken… :O
Am Samstag verabschieden wir uns dann von Sharon, Chris und Buddy, die uns aber noch einmal ihre Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft beweisen. Sie organisieren bei einer nahe gelegenen Tankstelle, dass wir unsere Gasflasche noch einmal auffüllen können. Nach dem kurzen Stop geht es für uns weiter in den Nationalpark Brecon Beacons, wo wir heute das gute Wetter für eine kleine Wanderung nutzen wollen.
Auf Empfehlung von Sharon und Chris geht es heute auf einen Rundwanderweg zum Pen-y-Fan, von dessen Gipfel man eine wunderbare Aussicht auf die Umgebung hat. Nach dem kurzen aber recht steilen Aufstieg genießen wir erst einmal den Rundumblick auf die Berge und Täler um uns herum. Lange Zeit sitzen wir einfach nur da und betrachten das Grün… nur ab und zu sieht man in der Ferne Schafe als weiße Punkte. Ich hätte wirklich immer wieder überrascht wie grün Großbritannien ist und vor allem wie vielfältig die Landschaften sind.
Kurz vor dem Rückweg kommen wir noch kurz mit ein paar jüngeren Leuten aus Kent im Süden Englands ins Gespräch, die sich für Martins Drohnenbilder interessieren. Wir unterhalten uns ein wenig über unsere Reise und bekommen ein paar Tipps für Schottland. Obwohl wir jetzt schon knapp zwei Wochen in Großbritannien sind, überrascht es uns doch immer wieder wie oft man einfach so angesprochen wird. Wahrscheinlich ist der typisch britische Smalltalk für uns Deutsche einfach zu ungewohnt 😀
Der nächste Tag beginnt zunächst sehr windig und wird immer trüber und regnerischer. Wir nutzen den Tag wieder zum Fahren und legen eine sehr lange Strecke zurück. Da heute Sonntag ist kommen wir hoffentlich um den starken Berufsverkehr rund um Liverpool und Manchester herum und machen richtig Strecke.
Am Ende des Tages erreichen wir unseren heutigen Stellplatz im Lake District neben einem sehr einsamen Pub am Kirkstone Pass (höchstgelegenes Pub Englands). Die Umgebung erinnert uns fast ein bisschen an Norwegen… und im Vergleich zu den letzten Tagen ist es hier auch ziemlich frisch. Mal schauen wie es dann in den kommenden Tagen an unserem nächsten Ziel Schottland aussieht.
Prima, Louise, wie du uns an euren Erlebnissen teilhaben lässt!