Ein einmaliges Erlebnis in Finnland

Und warum die Finnen richtige Outdoor-Freaks sind

Heute geht es für uns vom Norden Schwedens in Richtung Finnland. Vorher wollen wir uns aber noch die „alte Stadt“ von Gällivare anschauen. Hier war einst das Stadtzentrum – doch wie Kiruna jetzt – musste dieses umziehen und heute findet man nur noch verlassene und bereits teilweise abgerissene Häuser. Es ist fast ein bisschen unheimlich, denn viele Menschen wohnen hier nicht mehr. Martin macht ein paar Flüge mit der Drohne und dann starten wir in Richtung Süden. Zwischen Haparanda und Tornio wollen wir die Grenze nach Finnland überqueren. Auf der Fahrt in Richtung Ostsee merken wir auch, wie es langsam ein bisschen wärmer wird. Bei der Einreise nach Finnland müssen wir nur unseren Impfpass zeigen. Unsere Ausweise wollen die Beamten dagegen nicht sehen… Naja, stört uns ja nicht. Unsere erste Nacht in Finnland verbringen wir auf einem schönen Platz an einem See. Wir sind die einzigen hier und es gibt sogar einen Lagerfeuerplatz mit bereitgestelltem Holz. Später am Abend braten wir uns noch ein leckeres Essen über dem Feuer und beobachten, wie der Mond aufgeht. Ein richtiger erster Bilderbuch-Abend in Finnland. 🙂 

Zeitig aufstehen lohnt sich auch manchmal 🙂

Am nächsten Morgen haben wir strahlenden Sonnenschein und wenn der Wind nicht so sehr geht, kann man sich fast im T-Shirt raussetzen. Das hat mir wirklich gefehlt in den letzten Wochen hoch oben im Norden… Wir gehen sogar mal kurz ins Wasser, aber lange halten wir es da nicht aus. Außerdem ist Martin heute mal wieder dran mit Haare schneiden. Obwohl ich das während des Lockdowns zuhause eigentlich schon öfter geübt habe, ist das ohne Spiegel und richtigen Stuhl gar nicht so einfach. Aber wächst ja nach 😉 Nachmittags fahren wir dann los in die Nähe von Oulu – und damit verlassen wir Lappland. Die nächsten zwei Tage wollen wir in einem kleinen Nationalpark verbringen und einfach ein bisschen die Ruhe im Wald genießen. Obwohl es draußen schon recht dunkel und damit auch kalt ist, sitzen am Lagerfeuer auf der anderen Seite des Sees immer noch ein paar Einheimische (und das mitten in der Woche) 🙂 

Der Mittwoch beginnt sehr grau, nebelig und mit Nieselregen. Deshalb machen wir es uns heute im Gustav so richtig gemütlich mit Heizung, Tee und Blaubeereierkuchen (gestern gepflückt 🙂 ). Erst Nachmittags „trauen wir uns mal raus“ und machen einen Spaziergang um den See. Im Wald hört man nur das Rauschen der Blätter und immer mal wieder gibt es einen Nachregen. Ich weiß nicht genau, wie man das nennt, aber im Wald regnet es ja immer zwei mal 😉 Um uns herum sind überall wahnsinnig viele Blau- und Preiselbeeren und so große Pilze wie hier habe ich noch nie gesehen. Ist ja klar, dass wir da ein bisschen was fürs Abendessen mitnehmen… Auch heute sitzen wieder einige Leute am Lagerfeuerplatz – obwohl es leicht regnet und eher ungemütlich ist. Wir vermuten, dass die Finnen durch ihre regelmäßigen Saunagänge einfach total abgehärtet sind.

Ein Riesenpilz....
...vor dem Kochen

Nach dem eher durchwachsenen Wetter gestern haben wir heute aber wieder viel Glück mit Sonnenschein und und Temperaturen um die 18° Grad. Wir entschließen uns auf den Campingplatz nach Oulu zu fahren, denn einerseits möchten wir die Stadt erkunden und andererseits auch mal wieder duschen 😉 . Übrigens ist Oulu eine sehr fahrradfreundliche Stadt (und sehr flach), sodass wir uns mal wieder auf unsere Klappräder setzen. Damit kommt man hier wirklich am besten von A nach B, denn es gibt überall sehr gut ausgebaute Fahrradwege. Im Stadtzentrum angekommen, fällt uns auf dem Marktplatz gleich eine Werbung für ein Bierfestival ins Auge. Dieses findet das ganze Wochenende statt…  und beginnt heute. Somit ist die Abendplanung schon mal erledigt 🙂 Vorher bummeln wir aber noch ein wenig durch die Stadt und machen eine späte Mittagspause.

Bereits vor unserer Reise haben wir gehört, dass in den meisten finnischen Städten die „Sowjet-Architektur“ zu finden ist. Jedenfalls würden wir das – wahrscheinlich laienhaft – so beschreiben, und die Häuser mit dem KUK in Gera vergleichen… Auch in Oulu – übrigens die nördlichste Großstadt der EU – bestätigt sich das, denn nur am Hafen und um den Markt stehen noch ein paar alte Holzhäuser, ansonsten viel Beton.

Am späten Nachmittag laufen wir dann zurück zum Marktplatz. Beim Bierfestival in Oulu stellen sich viele verschiedene Brauereien aus ganz Finnland vor. Von diesen kann man dann mehrere Biersorten verkosten und es gibt extra Probiergrößen mit 0,1/0,2/0,3 und 0,4l. Natürlich probieren wir uns hier fleißig durch möglichst viele Biere durch 🙂 Später wechseln wir dann aber zu einer Bar, denn draußen wird es dann jetzt doch schon wieder kalt. Sobald die Sonne weg ist merkt man von den angenehmen Temperaturen leider nichts mehr – wir sind eben einfach trotzdem noch in Nordeuropa.

Der Barkeeper in unserer Kneipe hat heute zum Glück etwas Zeit (vielleicht sind alle beim Bier-Festival) und so können wir ihn ein bisschen über Finnland und seine Einwohner ausfragen. Er bestätigt uns, dass die Finnen sehr naturverbunden sind und wirklich bei jedem Wetter draußen etwas unternehmen. So geht er mit seiner Familie auch im Winter wandern und selbst wenn es dunkel ist (mit Kopflampe), denn wichtig ist nur die richtige Ausrüstung. Und anscheinend hat die eben jeder hier im Kleiderschrank. Man muss einfach jeden Sonnenstrahl nutzen und dazu gehören auch die wenigen Sonnenstunden im Winter (im Dezember gibt es in Oulu ca. 4 Stunden Tageslicht 🙁 )
Außerdem fragen wir ihn nach typisch finnischem Essen, denn bis jetzt haben wir nur die obligatorischen Burger- und Pizzarestaurants entdeckt. Und zwar ist das Lachssuppe. Das werden wir möglichst morgen gleich mal probieren. Als Absacker gehen wir nochmal kurz in das lokale Brauhaus Teerenpeli und danach fahren wir dann wieder zum Campingplatz.

Toripolliisi - das Wahrzeichen von Oulu ist der korpulente Polizist, der den Markt schützt 🙂

Der nächste Tage beginnt für uns etwas später… Das liegt aber bestimmt nicht an den ganzen Biersorten, die wir gestern verkostet haben 😉 Zu unserem Campingplatz gehört ebenfalls ein kleines Café und wir haben mal wieder Glück, dass ein Mittagsbuffett zu einem vernünftigen Preis angeboten wird. Und es gibt sogar die Lachssuppe, die uns gestern empfohlen wurde. Außerdem hilft sie auch richtig gut wieder in die Gänge zu kommen. Danach laufen wir nochmal schnell zum Ostsee-Strand, denn ein Bad bei ca. 13° Grad Wassertemperatur wirkt ebenfalls Wunder. Übrigens ist die Ostsee hier oben fast nicht salzig; der Salzgehalt liegt bei ca. 0,5%. Das liegt einerseits daran, dass hier viele Süßwasserzuflüsse sind und andererseits die Nordsee sehr weit weg ist. In Richtung Westen nimmt der Salzgehalt immer weiter zu, sodass er im Kattegatt (zwischen Dänemark und der schwedischen Westküste) bei ungefähr 3% liegt.

Nach unserem erfrischenden Bad geht es zunächst wieder in die Stadt, denn heute wollen wir das Kunstmuseum besichtigen. Aktuell gibt es hier eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst mit dem Titel „Supernatural“. Kurz zusammen gefasst geht es eigentlich um das Zusammenleben von Mensch und Natur in der Zukunft: Wer werden wir sein? Wie werden wir aussehen? Wie reagiert die Natur? Welchen Einfluss werden zukünftige Technologien auf uns haben? Dazu finden sich einige Skulpturen aber auch Fotografien und Videos. Neben den Werken ist auch immer eine Tafel mit einer Erklärung angebracht, denn oft ist noch ein wenig Hintergrundwissen nötig, um den Künstler besser zu verstehen.

Wie sehen Pflanzen in der Zukunft aus?
Nur eines dieser Portraits zeigt einen Menschen - die anderen drei sind humanoide Roboter
Wie werden wir uns verändern?

Martin und ich gehen sehr gern immer mal in ein Kunstmuseum; vor allem auch an fremden Orten, denn durch die Werke der oftmals lokalen Künstler erfährt man einiges über Land und Leute. Und es ist oft interessant die Sicht zu aktuellen Themen aus anderen Kulturen kennen zu lernen. In Finnland oder generell in Skandinavien ist uns nämlich immer wieder aufgefallen, dass die Menschen viel naturverbundener leben als „wir in Deutschland“, was sich eben auch in den Kunstwerken zeigt. 

Für die kommende Nacht haben wir uns wieder einen Stellplatz gesucht, der einsam und mitten im Wald ist. Dazu müssen wir dann eben auch mal ein paar Kilometer über eine Huckelpiste fahren. Aber bei der Ankunft sind wir uns sicher: es hat sich gelohnt 🙂 Völlig kostenlos kann man hier stehen, hat eine Trockentrenntoilette, mehrere Sitzmöglichkeiten und eine Feuerstelle. Vor der Schutzhütte machen wir uns abends wieder ein Lagerfeuer und genießen den Sonnenuntergang, der dank des wolkenlosen Himmels richtig schön zu sehen ist. Danach wird es dann aber recht schnell kalt (ja, trotz Feuer 😉 ) und bald zieht es uns dann doch wieder in unseren Gustav.

Schon lange habe ich mir vorgenommen, den Nachthimmel und die Sterne auf unserer Reise zu fotografieren. Auf unserem ersten Stellplatz in Finnland habe ich es dann erstmal mit dem Mond probiert aber nicht die richtigen Einstellungen an der Kamera gefunden (man könnte auch sagen, schlecht vorbereitet… ). Daher habe ich in den letzten Tagen probiert, mir etwas Wissen anzueignen und da es heute wieder so schön klar ist, wagen wir uns kurz nach 11 noch einmal dick angezogen nach draußen.
Eigentlich wollte ich wirklich nur ein paar Fotos machen um neue Einstellungen zu ISO-Wert, Belichtungszeit, Blende usw. zu testen. Irgendwie sehen wir da aber seltsame graue Schleier am Himmel, die sich schnell verändern – fast pulsieren. Im Nachhinein denke ich, wir waren in diesem Moment so überrascht, dass wir einfach gar nicht an die Möglichkeit gedacht haben, dass es Nordlichter sein könnten 😀 . Ein erstes Foto liefert den Beweis; wir haben tatsächlich Nordlichter vor uns! Einige Minuten lang freuen wir uns einfach nur und sind total aufgeregt… Wir hatten einfach überhaupt nicht damit gerechnet das Polarlicht zu sehen, es ist ja schließlich erst Ende August.

Schlussendlich stehen wir bestimmt anderthalb Stunden draußen und schauen in den Himmel. Es entstehen auch ein paar Fotos mit der Kamera und wir sind einfach nur dermaßen froh, diesen Abend für die „Test-Aufnahmen“ gewählt zu haben. Das war wirklich ein einmaliges Erlebnis, für das wir sehr dankbar sind. Und der Zufall macht es irgendwie noch schöner…

Nach dieser aufregenden Nacht schlafen wir am nächsten Tag etwas länger. Da wir noch einkaufen gehen wollen, müssen wir leider diesen tollen Stellplatz verlassen. Aber erinnern werden wir uns wahrscheinlich noch ewig an den einen Abend hier 😉 An diesem Samstag fahren wir also weiter in Richtung Süden in die Nähe von Terjärv. Als wir ankommen stellen wir leider fest, dass unser nächster Stellplatz recht nah an der Straße liegt. Vielleicht sind wir auch etwas verwöhnt vom letzten, aber wir fahren noch ein bisschen weiter, in der Hoffnung etwas Abgelegeneres und Ruhigeres zu finden. Bei Einbruch der Dunkelheit stellen wir fest, dass unser Platz zwar abgelegen, aber keinesfalls ruhig ist, denn immer wieder hören wir Schüsse. Ob hier gejagt wird, können wir nicht wirklich ausmachen. Das Seltsame ist aber, dass die Schüsse mehrere Stunden andauernd und immer mal näher kommen. Am Ende fahren wir nachts halb 12 zurück auf den vorherigen Stellplatz – das war uns einfach zu laut um hier zu schlafen… Bei dieser Hau-Ruck-Aktion mitten in der Nacht verabschiedet sich dann auch gleich mal unser Kühlschrankschloss. So eng liegen gute und schlechte Tage manchmal eben zusammen 😉

Noch wirkt hier alles ruhig... in ein paar Stunden soll es aber richtig laut werden.

Den Sonntagvormittag verbringen wir dann damit, das Kühlschrankschloss zu wechseln, denn sonst würde diese Schublade während der Fahrt immer wieder aufgehen. Wir stärken uns noch für die Weiterfahrt und genießen ein wenig die Sonne bevor es auch heute wieder ein Stück weiter südlich geht 🙂

Wie neu 😉

4 Kommentare

  1. Sudele, heute wollte ich mir einen entspannten Abend machen und einen Film schauen … Nein! Heute schaust Du endlich mal in den Blog. Die Karte vom Reiseblog habe ich seit Monaten in meiner Brieftasche. Nicht irgendwo da drin, sondern noch vor der EC und der Kreditkarte und mit jedem Tag, wo ich Karte mit dem QR-Code gesehen habe, stieg das schlechte Gewissen, dass ich mir noch nicht die Zeit genommen habe, Euch auf Eurem Kurs zu folgen. Sooo viel schöne Eindrücke und noch viel schöner beschrieben. Weiter so … bleibt auf Kurs 😉

    • Hallo Lutz,
      schön, dass du mal bei uns vorbei schaust 😉 Vielen Dank für das Lob und wir halten euch natürlich hier weiter auf dem Laufenden. Unser Kompass hat uns (jedenfalls bisher) immer den richtigen Weg gewiesen.
      Viele Grüße nach Neustadt 🙂

  2. Bin ganz gerührt von den wunderschönen Eindrücken, die ihr mit uns teilt. Mensch, ihr kommt ja richtig abgehärtet wieder, wenn ihr dort sogar ins kalte Wasser steigt, Respekt! 😀

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